Gibt es einen Plan B für den B-Plan in Schwarzburg?
Nachricht, veröffentlicht am 18.08.2021 von Ines Kinsky
Thema der Schwarzburger Gespräche 2021 war das klimaneutrale Bauen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Klima-Daten, die am Freitag eindrucksvoll dargelegt wurden, müsste sich jeglicher Neubau eigentlich von vornherein ausschließen. Vor diesem Hintergrund stand auch der Hotel-Neubau in Schwarzburg zur Diskussion.
Am 13. und 14. August beschäftigten sich die mittlerweile 11. Schwarzburger Gespräche mit Möglichkeiten und Projekten klimaneutralen Bauens. Wie gewohnt bestand die Veranstaltung aus drei Teilen: Am Nachmittag des ersten Tages standen überregionale Aspekte im Fokus. Dr. Christian Anton von der Leopoldina Halle erläuterte eindringlich, warum wir mitten in einem menschengemachten Klimawandel stecken, der auch in unserer Region zu spüren ist und in den nächsten Jahren weiter Fahrt aufnehmen wird. Die Flutkatastrophe in der Eifel und die verheerenden Waldbrände am Mittelmeer, aber auch der gerade erschienene 6. Sachstandsbericht des Weltklimarates machten die Diskussion brandaktuell. Anschließend beschäftigte sich Prof. Eike Roswag von der TU Berlin mit Anforderungen und Projekten klimaneutralen Baues. Neben der Verwendung von Holz, Lehm und Stroh ist aus seiner Sicht die Umnutzung bereits bestehender Bausubstanz eine der besten Möglichkeiten, die sehr schlechte Klimabilanz des Bauens zu verbessern. Interessant sein Plädoyer für alte DDR-Bausubstanz, die nach seiner Erfahrung sehr oft über eine hohe Qualität der tragenden Teile verfügt und mit vergleichsweise wenig Aufwand, ohne Neuversiegelung und ohne große Abfallberge für aktuelle Nutzungen umgestaltet werden kann. Abschließend beschrieb Dr. Marta Doehler-Behzadi, Chefin der Internationalen Bauausstellung IBA Thüringen, wie das IBA-Projekt LeerGut mit einem Netzwerk von LeerGutAgenten versucht, den Leerstand vor allem in ländlichen Räumen in neue Nutzungen zu bringen.
Der zweite Teil des Gespräche widmete sich am Samstagvormittag Projekten aus der Region. Den Auftakt machte Jessica Christoph vom Haus Bräutigam e.V. Sie schilderte die Rettung und Wiederherstellung eines traditionellen Sommerfrische-Hauses in Schwarzburg, das vor drei Jahren eigentlich abgerissen werden sollte. Eindringlich beschrieb sie den Such- und Lernprozess der Gruppe von Architekten und Bauingenieuren aus Weimar, die mit viel Herzblut und Eigenleistung die Villa aus dem Jahr 1906 zukünftig nach dem „Modell Alpenvereinshaus“ auch öffentlich nutzbar machen will. Eine erhebliche Nummer größer ist das ehemalige Waldsanatorium Schwarzeck in Bad Blankenburg. Prof. Stephanie Kaindl von der FH Erfurt hat im Wintersemester mit Architektur-Studierenden dafür fünf Nutzungskonzepte erarbeitet. Ähnlich wie Prof. Roswag am Vortag beschrieb sie die nach wie vor gute Substanz der Schwarzeck-Gebäude, die Abriss und Neubau nur in wenigen Bereichen notwendig mache. Den Abschluss des Vormittages gestaltete Dr. Krista Blassy, die sich als Planerin und Projektentwicklerin für den Neubau eines Family Ressort auf dem Gelände der Schwarzburger Jugendherberge stark macht. Sie beschrieb die damit verbundenen Hoffnungen auf eine „Initialzündung“ als „letzte Chance für Schwarzburg“, während die Kritiker vor allem auf die am Vortag diskutierten Extremwetterereignisse Bezug nahmen, die an Häufigkeit und Stärke zunehmen werden und das Bauen in engen Flusstälern eigentlich verbieten sollten. Sowohl Befürwortern als auch Kritikern des Projektes machte Frau Dr. Blassy deutlich, dass es sich bislang nur um erste Ideen handelt und lud dazu ein, gemeinsam gute Lösungen für Schwarzburg zu finden. Dabei könne durchaus auch auf einen Teil der Neubauten verzichtet und stattdessen einige der leer stehenden Gebäude des Ortes als "dezentrale Dependancen“ einbezogen werden.
Mit gut 50 Teilnehmern waren es die bisher am besten besuchten Schwarzburger Gespräche. Dazu hat sicher auch die Kontroverse um das Family Ressort beigetragen, die in diesem Jahr besonders viele Schwarzburgerinnen und Schwarzburger in den Kaisersaal lockte. Bemerkenswert war, dass es den Veranstaltern gelang, die teils sehr emotional vorgetragenen Wortmeldungen zu einem letztlich konstruktiven Meinungsaustausch zu machen. Das zeigte sich auch in den Pausen und nach Ende der Veranstaltung: Viele Teilnehmer standen in kleinen oder größeren Gruppen zusammen, redeten und hörten sich zu - genau das wollen die Schwarzburger Gespräche sein. Es wäre sehr zu wünschen, dass es auch bei der für Mitte September angekündigten Einwohnerversammlung zum Family Ressort gelingt, die am Wochenende gezeigte Diskussionskultur fortzusetzen.
Die Vorträge der Schwarzburger Gespräche können in Kürze auf www.sommerfrische-schwarzatal.de heruntergeladen werden - ebenso wie das detaillierte Programm des Tages der Sommerfrische, der am kommenden Sonntag (22.8.) gut 25 Veranstaltungen in 14 Orten des Schwarzatales bietet. Bereits im Laufe der Woche stimmt der Kinobus Anda mit Freiluft-Kino auf die Sommerfrische ein: am 17.8. in Mankenbach, am 19.8. in Rottenbach (Bahnhof), am 20. 8. in Bad Blankenburg (Schwarzeck) und am 21.8. in Döschnitz.
Burkhardt Kolbmüller